101223 Nico Sturm SJS

Nico Sturm ist der letzte deutsche Stanley Cup Champion (2022 mit der Colorado Avalanche). Aktuell schnürt der 28-jährige Augsburger die Schlittschuhe für die San Jose Sharks. Mit NHL.com/de teilt der Center exklusive Einblicke in einer zweiteiligen Serie.

In dieser Ausgabe: Der Umgang mit Frustration, seine Einschätzung zu Leon Gawanke und seine Gedanken zu einer möglichen WM-Teilnahme mit Deutschland

Nico Sturm gab am Samstag sein langersehntes Comeback beim 5:3-Heimsieg gegen die Anaheim Ducks. Zuvor hatte der Deutsche 16 Spiele wegen einer Hand-OP verpasst (NHL.com/de berichtete ausführlich in Teil 1 der Sturm-Serie vom 18. Januar 2024). Die San Jose Sharks (11-31-4) sind abgeschlagenes Tabellenschlusslicht der gesamten Liga, hatten bereits zwei zweistellige Niederlagen-Serien und verloren 15 der letzten 17 Spiele (2-14-1). Der Mittelstürmer will nach seiner Rückkehr für neue Stabilität sorgen und gegen die aufkommende Frustration mit einer positiven Einstellung als Vorbild entgegenwirken.

Nicht jeden Tag auf die Tabelle schauen

„Es sind extrem viele frustrierende Abende dabei“, gesteht Sturm. „Ich versuche, so wenig wie möglich im Internet zu sein, trotzdem bekommt man viele Dinge mit. Man ist schon fast an einem Punkt, an dem man die Situation mit Humor nehmen möchte. Doch auch das ist schwer, denn ich hasse es zu verlieren. Deshalb kann ich auch nicht jeden Tag auf die Tabelle schauen. Wenn ich jetzt anfangen würde, auch noch auf andere Statistiken wie Tore, Assists oder Plus-Minus zu achten, dann würde ich nicht mehr glücklich werden.“

Der Stanley Cup Champion galt schon in seinem ersten Jahr in San Jose als ein großes, von jedem respektiertes Vorbild. Genau diese Rolle nimmt er auch in der aktuell sehr schwierigen Situation wieder ein.

„Ich will positiv bleiben“, sagt Sturm. „Ich gehe wie jeden Tag meiner Arbeit nach, bin fleißig im Kraftraum und möchte den jungen Spielern zeigen, wie man als NHL-Spieler ist. Ich will meine Arbeit machen, meine Erfahrung einbringen und versuchen, das Ergebnisorientierte wegzulassen. Vielmehr möchte ich wieder bessere Spiele zeigen, sehen, dass die jungen Spieler Schritte nach vorne machen und wir die Sache zukunftsorientierter angehen.“

Gute Stimmung trotz sportlicher Talfahrt

Freilich geht die sportlich ernüchternde Saison an keinem spurlos vorbei. „Die Jungs sind gerade am Boden zerstört. Sie nehmen das auch mit nach Hause. Da schläft keiner gut“, berichtet Sturm. „Ich muss die Mannschaft aber loben: „Egal, wie schlecht die Situation war, jeder kommt an jedem Tag mit einer guten Einstellung ins Training. Die Stimmung war immer gut, schon in den letzten anderthalb Jahren. Es gibt keine Stänkereien, keinen Streit, es hat nicht gekracht. Die Jungs sind wirklich frustriert, aber jeder arbeitet hart, das kann man uns nicht absprechen. Der Zusammenhalt im Team ist exzellent.“

Sturm selbst ist das Verlieren nicht gewohnt: Sowohl bei den Minnesota Wild als auch bei den Colorado Avalanche war der Augsburger Teil von Siegerteams. Mit den Avalanche gelang ihm 2022 sogar der ultimative Triumpf: der Gewinn des Stanley Cup.

„Verlieren ist unakzeptabel. Das ist etwas, was ich in den letzten Jahren in Minnesota und Colorado gelernt habe. Wenn wir da zwei, dreimal verloren haben, dann hing der Haussegen schief. Das ist etwas, was die jungen Spieler lernen müssen. Im Moment tut es weh, aber das gehört leider dazu. Erst muss man etwas leiden, bevor es wieder besser wird. Die Avalanche waren 2016/17 auch die schlechteste Mannschaft in der NHL. Unser Management verfolgt sicherlich einen langfristig Plan. Wir werden sehen, wo wir in fünf, sechs Jahren herauskommen.“

Sturm: „In unserer Situation kann uns Gawanke sicher helfen“

Landsmann Leon Gawanke ist noch nicht Teil des Plans. Der 24-jährige Berliner unterschrieb im Sommer bei den Sharks, kam bislang aber ausschließlich beim Farmteam San Jose Barracuda zum Einsatz. Seit Jahren zählt der rechtsschießende Offensivverteidiger zu den torgefährlichsten und punktbesten Abwehrspielern in der AHL – wartet aber bis heute auf sein NHL-Debüt.

Leon Gawanke

„Ich warte darauf, dass er einen Call-up bekommt. Das hätte er sich auch verdient“, sagt Sturm. „Wenn ich mich so umschaue, hat fast jeder schon eine Chance bekommen. Ich fände es fair, wenn auch er die Gelegenheit bekommt. Ob jemand dann ein NHL-Spieler ist oder nicht, wird man erst dann beurteilen können, wenn man ihn auf diesem Level gesehen hat. In unserer Situation kann er uns sicher helfen. Ich würde mich für ihn freuen, wenn er die Chance bekommen würde und diese Erfahrung machen kann. Leider haben wir seit dem Saisonstart relativ wenig Kontakt: Sind wir zu Hause, sind die auf einem Roadtrip und umgekehrt.“

Sturm wäre bereit für die nächste WM mit Deutschland

Da sowohl die Sharks (11-31-4) als auch der Barracuda (11-19-7) derzeit nicht auf Playoff-Kurs sind, könnten sich Sturm und Gawanke spätestens im Frühjahr bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 2024 in Tschechien (Prag und Ostrava) treffen.

Sturm gab im Vorjahr sein WM-Debüt für Deutschland und glänzte dabei als Führungsspieler und Top-Torjäger (zehn Spiele, 6-2-8) in einer etwas offensiveren Rolle als in San Jose.

„Ich blicke mit positiven Gedanken auf diese Zeit zurück. Es hat damals gut geklappt. Ich hätte Bock, dort wieder Eishockey-Spiele zu gewinnen. Insofern würde ich zuversichtlich auf eine WM-Teilnahme schauen. Aber natürlich muss man sehen, dass die Gesundheit auch mitspielt.“

Die Trade-Deadline könnte alles verändern

Abhängig von der Gesundheit und dem Management der Sharks könnte der deutsche Center auch für den einen oder anderen Cup-Contender eine interessante und wertvolle Verstärkung vor der Trade Deadline sein.

„Letztes Jahr gab es durchaus viele Anfragen. Ich selbst habe jetzt noch nichts gehört. Es wird sicher wie im Vorjahr ein Gespräch mit General Manager Mike Greer geben, denn ich habe danach nur noch ein Jahr Vertrag. Grundsätzlich fühle ich mich hier aber wohl und möchte mich dem Rebuild hingeben. Ich will den jungen Spielern helfen. Wenn man jetzt leidet, will man auch dabei sein, wenn es wieder aufwärts geht. Ich hatte damals für drei Jahre unterschrieben. Wenn ich mein ‚Servus‘ da daruntersetze, dann möchte ich mich auch daranhalten.“

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