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Im International Ice Spezial führt NHL.com/de Interviews mit Spielern aus den nationalen Ligen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

In dieser Ausgabe: Niklas Treutle (Nürnberg Ice Tigers)

Niklas Treutle ist der erste Nürnberger in der NHL. Der 34-jährige Torwart kam in der Saison 2015/16 in zwei Spielen für die Arizona Coyotes zum Einsatz. Seine Karriere begann beim EHC 80 Nürnberg, in der DEL absolvierte er insgesamt 430 Spiele für die Hamburg Freezers, den EHC München, die Krefeld Pinguine und die Nürnberg Ice Tigers. Zudem kam er in der AHL für die Springfield Falcons (39 Spiele) und in der finnischen Liiga für KooKoo Kouvola (vier Spiele) zum Einsatz und vertrat die Ice Tigers in der Champions Hockey League (drei Spiele) sowie beim Spengler Cup (vier Spiele).

Aktuell hat sich Treutle in Nürnberg den Platz des Starters erkämpft (neun Spiele, 4-5-0, 3,06 Gegentore/Spiel, 90,9 Prozent Fangquote) und präsentierte sich in den letzten Wochen extrem formstark (letzte sechs DEL-Partien: vier Siege, 93,6 Prozent Fangquote).

Mit NHL.com/de sprach der 1,87 Meter große Linksfänger über sein Form-Hoch, das NHL-Leben auf der Ranch von Shane Doan, den harten Konkurrenzkampf gegen einen späteren Stanley Cup Champion in der AHL, das Design von Goalie-Masken und ob er noch auf den Olympia-Zug aufspringen kann.

Servus Niklas! Aktuell zählst du zu den formstärksten Torhütern in der Deutschen Eishockey Liga. Wie siehst du deine bisherige Saison?

Ich bin zufrieden. Am Anfang habe ich mich schwergetan, um in Tritt zu kommen und hätte mir ein bisschen mehr Eiszeit gewünscht. Ich habe versucht, mich im Training aufzudrängen, hart zu arbeiten und musste geduldig bleiben, was sich am Ende ausgezahlt hat. Ich wusste, wenn ich in den Rhythmus komme, dann werde ich meine Leistung bringen.

Hast du irgendetwas an deinem Spiel verändert?

Auf dem Eis gar nicht, aber ich habe im Sommer versucht, an jeder Stellschraube zu drehen und an meinen Off-Ice-Programm etwas zu ändern. Auch jetzt noch investiere ich mehr Zeit, arbeite schlauer und intensiver. Körperlich fühle ich mich besser, was für mich der größte Unterschied zur letzten Saison ist, in der ich auch mit Verletzungen zu kämpfen hatte.

An welchen Stellschrauben genau hast du gedreht?

Als Torwart hat man Belastungen in den Hüften und auf den Knien. Ich habe das Krafttraining geändert, um diese Muskelgruppen zu entlasten und andere zu stärken. Auch Ernährung spielt bei mir eine riesige Rolle, da bin ich ein regelrechter Nerd. Ich gönne mir schon auch mal einen Burger, wenn ich Lust habe. Aber wenn ich lese, dass man in der ersten Stunde nach dem Aufstehen nichts essen und stattdessen Wasser mit Zitronensaft trinken soll, dann renne ich direkt in den Supermarkt und kaufe mir Zitronen.

Bist du bei deiner Spielvorbereitung genauso akribisch?

Ich habe eine echt gute Mischung gefunden, denke ich. Vor dem Spiel halte ich mich ganz streng an meine Pläne, wann ich was mache: Wann jongliere ich, wann höre ich meine Meditationen, wann mache ich meine Atemübungen. Da bin ich schon sehr strikt, aber wenn die Kopfhörer mal weg sind, dann kann es auch sein, dass ich einen Witz erzähle.

Du bist als Backup hinter Evan Fitzpatrick in die Saison gegangen, hast dir mit starken Leistungen und auch aufgrund einer Verletzung von Evan den Platz als Starter erkämpft. Wie geht es jetzt mit der Rollenverteilung weiter?

Ich glaube nicht, dass es da einen Plan gibt. Wir werden von Spiel zu Spiel entscheiden. Wir wollen beide im Tor stehen und sind beide unzufrieden, wenn wir nicht spielen. Meine Aufgabe ist, mit der Mannschaft Siege zu holen, um dann auch im Tor zu bleiben. Dafür arbeite ich in jedem Spiel hart. Bei Evan ist das genauso. Dieser Konkurrenzkampf ist am Ende gut für das gesamte Team.

Eine Tandem-Lösung mit gleichmäßigen Einsatzzeiten hat etwa bei den Boston Bruins mit Jeremy Swayman und Linus Ullmark hervorragend funktioniert und beide gepusht. Wäre das auch was für euch?

Es ist schon leichter, wenn ich weiß, dass ich an einem Wochenende beide Spiele mache. Da habe ich eine gewisse Leichtigkeit dabei. Deshalb tut es gerade auch gut, so viele Spiele zu bekommen. Aber ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass du immer bereit sein musst, auch wenn du mal drei, vier Spiele nicht zum Einsatz kommst.

Du bist ein großer Fan von Jake Oettinger von den Dallas Stars. Er ist ein Typ, der nie die Ruhe zu verlieren scheint, egal wie groß der Druck und wie stressig eine Situation auf dem Eis ist. Kann man diese Qualität trainieren?

Es gibt schon viele Sachen, die man machen kann und die auch ich mache. Meditation zum Beispiel. Man kann sich Dinge visualisieren, positive Selbstgespräche führen und andere Tricks. Im Endeffekt ist es am besten, wenn du so geboren wirst. Mich würde wirklich interessieren, was er auf diese Frage antworten würde. Ich schätze ihn so ein, dass er einfach so ein cooler Typ ist. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Wirklich trainieren kann man es nicht.

Du verfolgst insbesondere die Torhüter in der NHL ganz genau und legst großen Wert auf Design. Welche Goalie-Maske gefällt dir am besten?

Ich schaue mir das natürlich alles sehr genau an. Eine Maske, die mir richtig gut gefällt, ist die von Darcy Kuemper von den Los Angeles Kings. Die sieht richtig cool aus. Sein Design ist recht schlicht und immer matt lackiert, was mir eh schon sehr gut gefällt.

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Was macht dein Helm-Design aus?

Den Tiger-Kopf habe ich immer oben auf der Stirn und an den Seiten versuche ich immer, private Sachen mit einfließen zu lassen. Mein Spitzname ist ja „Turtle“, deswegen hatte ich immer einen Ninja Turtle abgebildet. Jetzt, da mein Sohn zur Welt gekommen ist, habe ich es ein bisschen geändert in einen Baby-Turtle mit einem „N“ für seinen Vornamen auf dem Gürtel. Hinten habe ich meinen Hund drauf. Es macht immer Spaß, sich etwas zu überlegen.

In deiner Zeit in der NHL hast du auf der Ranch von Stürmer Shane Doan gewohnt. Wie können wir uns das Ranch-Leben in Arizona vorstellen?

Erstmal muss ich sagen, dass es für seinen Charakter und seine Rolle als Führungsspieler spricht, dass er so viele Leute bei sich aufgenommen hat, obwohl er sie zuvor noch nie gesehen hatte. Viele der neuen Jungs schaffen es gar nicht in die Mannschaft, er hat es ihnen aber trotzdem angeboten. Ich wurde damals von einem Fahrer abgeholt und in die Wüste gefahren. Auf der Ranch standen ein paar Pferde. Der Wohnbereich war gar nicht so riesig. In einem großen, schönen Haus haben vier, fünf Spieler gewohnt. Jeder hatte sein eigenes Zimmer mit Bad. Wenn man gleich vom Kapitän aufgenommen wird und mit anderen Jungs zusammenwohnt - besser geht es nicht. Er hat uns dann auch zum Burger-Essen eingeladen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden mit besseren Führungsqualitäten gibt.

Du hattest während deiner Zeit in Nordamerika immer Spieler, mit denen du Deutsch reden konntest: Wie wichtig war es, Tobias Rieder in der NHL und Matthias Plachta in der AHL zu haben?

Sehr wichtig! Insbesondere in der AHL mit den vielen Spielen und dem harten Konkurrenzkampf. Jemand zu haben, den man schon kennt, und mit dem man sich anfreundet, ist riesig. Als ich dann hochgezogen wurde, habe ich mit Tobi auf dem Zimmer gewohnt. Ich konnte immer nachfragen, wenn ich etwas nicht wusste, was gut war.

Wie war das Leben in der AHL in Springfield?

Das war das harte Leben. (Atmet tief durch) Wo soll ich anfangen? Es waren viele Spiele, lange Busfahrten und ein unbeschreiblicher Konkurrenzkampf. Der Kader war voll mit sechs guten Torhütern. Unsere Nummer sieben war Adin Hill! Bis Dezember wusste ich nicht, ob ich in der AHL bleibe. Am Anfang wurde unser Hotel bezahlt. Ab dem Moment, in dem du fest im Team bist, bekommst du einen Brief auf deinen Platz gelegt. In diesem steht, dass du sieben Tage Zeit hast, das Zimmer zu verlassen oder du musst es selbst bezahlen. Von da an musst du alles selbst organisieren. Der Brief an sich ist aber etwas Gutes, denn er bedeutet, dass du im Team bleibst. Jeden Tag auf dem Weg zum Training wusste ich, dass wenn ein anderer Torwart den Brief hat, ich meine Sachen packen kann. Als ich den Brief recht spät im Dezember bekommen habe, musste ich direkt rumfragen, wo noch ein Platz zum Wohnen frei ist. Ich bin dann bei Lucas Lessio und Brendan Shinnimin eingezogen. Wir hatten eine kleine WG, was super lustig war. Springfield war auch keine Stadt, in der man sich gerne aufhält. Manchmal war es fast schon gefährlich, ab 20, 21 Uhr bleibt man besser zu Hause. Es hat mir aber sehr viel für meine Entwicklung gebracht.

War damals schon zu sehen, dass mit Adin Hill ein künftiger Stanley Cup Champion (2023 mit den Vegas Golden Knights) heranreift?

Er war riesengroß, sehr schnell, fleißig und hatte unfassbares Talent. Was die Technik angeht, war er noch ein bisschen wilder, auch beim Herauslaufen. Aber wenn du ihn mit seiner Statur (1,97 Meter groß, 97 Kilogramm schwer, d. Aut.) im Tor gesehen hast, da hat man sich schon gedacht, wenn er noch ein halbes Jahr unter einem guten Torwarttrainer arbeitet, dann wird er alles halten. So war es dann auch.

Wer ist dein Meister-Tipp für dieses Jahr? Wer wird der Cup Winning Goalie?

Ich wünsche es mir am meisten für die Edmonton Oilers, wegen Leon (Draisaitl, d. Aut.). Aber als Cup Winning Goalie würde ich mir Jake Oettinger wünschen, weil ich ein großer Fan von ihm bin. Bei ihm kann ich mir vorstellen, dass er in den Playoffs über sich hinauswächst und einen Stanley Cup für Dallas gewinnt.

Wie siehst du als Torwart die Leistung von Stuart Skinner in Edmonton?

Er beeindruckt mich. Für meine Wahrnehmung gibt es keinen Eishockey-Torwart auf diesem Planeten, der mehr kritisiert wird. Dass er trotzdem immer wieder stark zurückkommt, obwohl man ihn schon abgeschrieben hat, auch in den Playoffs ausgewechselt zu werden und ein paar Spiele nicht zu machen, um stärker zurückzukehren, das ist für mich charakterlich sehr stark und imponiert mir.

EDM@NYR: Skinner behält gegen die Rangers eine Weiße Weste und feiert seinen 8. NHL-Shutout

Du hast in so vielen Ligen und Wettbewerben gespielt. Was ist bislang dein absolutes Highlight?

Wahrscheinlich die Weltmeisterschaften mit der deutschen Nationalmannschaft. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr sind es die vielen Jahre bei den Nürnberg Ice Tigers. In meiner gesamten Junioren-Zeit wollte ich immer nur für die Ice Tigers spielen und habe immer davon geträumt, mal ein Spiel für sie zu machen. Jetzt sind es schon so viele Spiele und so viele Jahre geworden. Es ist einfach ein Traum, der Wirklichkeit wurde. Ich weiß nicht, wie viele Spieler so viele Spiele für ihren Heimatverein machen konnten. Das ist für mich der größte Stolz, den ich habe.

Apropos Nationalmannschaft: Im Februar steigen die Olympischen Spiele Milano Cortina 2026. Gibt es Kontakt zum Bundestrainer und besteht noch die Hoffnung, auf den Olympia-Zug aufspringen zu können?

Es besteht kein Kontakt und ich denke, dass da noch ein paar andere vor mir kommen werden, wie zum Beispiel Maximilian Franzreb, der fantastische Leistungen zeigt. Aber Harry (Bundestrainer Kreis, d. Aut.) kennt mich. Er könnte mich auch zwei Minuten vor der Abfahrt noch anrufen, ich würde mitkommen. (Lacht) Ich würde sogar mitfahren, um den anderen Torhütern die Schlittschuhe zu binden. Ich bin halt ein Teamplayer. Ich denke, dass ich nicht in der Konversation bin, aber wenn man in der Liga starke Leistungen zeigt, dann wird das auch bemerkt.

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